Geschichte des Fachwerks

Marktplatz Besigheim
Marktplatz Besigheim

Die Geschichte des Fachwerkbaus reicht bis in die Antike zurück. Der römische Architekt Vitruv beschrieb bereits 33 vor Chr. die Fachwerkbauweise, die in oberen Stockwerken angewendet wurde. Aus der bis ins Frühmittelalter vorherrschenden Pfostenbauweise, hier wurden die Wandpfosten im Erdreich eingegraben was zu Fäulnis führte, entwickelte sich das Fachwerkhaus. Man begann die Pfosten und Rahmen auf Fundamente zu setzen um dem Problem der Fäulnis entgegenzutreten. So entwickelte sich der Fachwerkbau zu der vorherrschenden Hausbautechnik für viele Jahrhunderte in Mitteleuropa.

Fachwerkbau

Alemanisches, Fränkisches und Niedersächisches Fachwerk

Je nach Region und Kulturepoche ist die Charakteristik sehr unterschiedlich. In Deutschland unterscheidet man unter „alemanischen“ oder auch „oberdeutschen“, „fränkischem“ oder „mitteldeutschen“ und „niedersächsischen“ Fachwerk. Das alemanische Fachwerk findet man im ganzen süddeutschen Raum, im Elsass, der Schweiz und Franken. Es ist gekennzeichnet durch klare Konstruktionslinien und weite Abstände der Ständer. Sehr schöne Beispielbauten sind das Rathaus in Markgröningen von 1441, das alte Esslinger Rathaus von 1420 oder das Besigheimer Rathaus von 1459. 

Alemanisches Fachwerkhaus in Markgröningen
Rathaus Markgröningen
Altes Rathaus Esslingen
Rathaus Besigheim

Die fränkische Bauweise findet man überwiegend in Franken, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Hier fallen verspielte Ornamente wie Rosetten, Andreaskreuze oder Schnitzereien auf. Ein schönes Beispiel ist das „Deutsches Haus“ aus dem 15. Jahrhundert in Dinkelsbühl oder das Pärchen Marienapotheke und Fleischhaus in Rothenburg ob der Tauber.

Deutsches Haus Dinkelsbühl
Marienapotheke und Fleischhaus Rothenburg ob der Tauber
Marienapotheke Rothenburg ob der Tauber

In der Schweiz gibt es auch zahlreiche Fachwerkhäuser, die jedoch Riegelhäuser genannt werden und deren Balken typischerweise rot bemalt werden. In Frankreich gibt es wunderschöne alemanisch- und fränkisch geprägte Fachwerkhäuser im Elsass und eine ganz eigene Charakteristik in der Normandie, Bretagne oder der Champagne. Auch in England findet man Fachwerkhäuser, die der französischen Gestaltung ähneln. Ebenfalls in Belgien, den Niederlande, Italien, Polen, Tschechien, Rumänien, Russland, Litauen und Griechenland findet man Varianten. Auswanderer nahmen ihre Hausbautechnik mit nach Südamerika, Nordamerika und Australien. Die UNESCO-Weltkulturerbestadt Safranbolu in der Türkei verfügt über einen Fachwerkbestand von mehr als 1000 Häusern. 

Marktplatz Herrenberg

Die ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands

Die ältesten erhaltenen Fachwerkhäuser Deutschlands stammen aus dem 13. Jahrhundert und stehen in Esslingen und Limburg an der Lahn, wobei Esslingen gleich mehrere Rekorde vorzeigen kann. So steht in der Heugasse 3 ein verputztes Fachwerkhaus mit verbauten Hölzern von 1261. Am Hafenmarkt 4-10 steht die älteste zusammenhängende Fachwerkhäuserzeile Deutschlands. Die Häuser wurden alle zwischen 1328-1331 gebaut. Das älteste bewohnbare Fachwerkhaus von 1266/1267 steht in der Webergasse 8b. Auch Limburg an der Lahn kann gleich mehrere Häuser ab 1245 nachweisen. Zerstörungen der Städte wie z. B. durch Kriegsschäden oder Stadtbrände ließ die ältesten aus den Stadtbildern verschwinden. Zur Bestimmung des Alters der Häuser kann man sich zum einen an urkundlichen Erwähnungen orientieren, zum anderen Anhand der Dendochronologie, das ist die Wissenschaft zur Bestimmung der Fällzeit der verwendeten Hölzer mithilfe der Jahresringanalyse. Natürlich muss bei den Untersuchungen auch die Möglichkeit beachtet werden, dass Holzbalken auch gerne von Hausabrissen neu eingebaut wurden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde überwiegend nach Fachwerkbauweise gebaut, dann löste  der Steinbau, diese für lange Zeit erfolgreiche Bauweise, ab.

Verarbeitete Materialien waren hauptsächlich Eiche und Tanne, da sie Witterung und Fäulnis standhielten. Die Zwischenräume, Gefache genannt, wurden mit Lehm, Holz, Ziegelsteinen oder Flechtwerk ausgefüllt. Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Balken farbig bestrichen, die Gefache weiß gekalkt. Auch wurde das Fachwerk zum Schutz der Hölzer oft komplett verputzt so dass wir an so manchen Häusern vorbeilaufen ohne zu wissen dass sich schönstes Fachwerk darunter befindet. In Regionen mit Schiefervorkommen wurden Fachwerkhäuser zum Schutz häufig mit Schiefertafeln verkleidet, wie z. B. im Sauerland, in der Eifel oder im Hunsrück.

Fachwerk Schmuckformen

Ab dem 15. Jahrhundert fing man an die Häuser schön zu schmücken. Die sichtbaren Holzbalken wurden mit Schnitzereien verziert, Inschriften und  Haussegen angeschrieben, Sonnenuhren oder, um den Teufel abzuschrecken, Fratzen angebracht. Manchmal ließ sich auch der Hausbesitzer in einer Holzschnitzerei verewigen.

Neidkopf um das Böse abzuwehren in Schorndorf
Feuerbock, Tauband und Balkenköpfe in Schmalkalden
Wilde Mann Palmsche Apotheke Schorndorf
Wilde Mann Schorndorf
Erker mit Feuerbock in Calw

Fachwerk zu entdecken bedeutet Geschichte zu erleben. Ich lade Dich ein, mit mir auf meinem Blog die schönsten und interessantesten Fachwerkhäuser und Altstädte zu entdecken.